Hört auf, Cloudprodukte zu kaufen: Wenn das „Smart Home“ plötzlich Elektroschrott wird

Huch, was ist hier los? Ein IoT-Blog, das die Cloud verteufelt? Aber ohne Cloud funktioniert das ganze „Internet of Things“ doch gar nicht. Richtig – und genau das ist der Punkt. Die Abhängigkeit vieler Produkte von der Cloud ist für Endverbraucher ein ernstes Problem. Immer wieder schalten Hersteller, deren Produkte nicht die Verkaufserwartungen erfüllen oder die von anderen Anbietern übernommen wurden, frühzeitig die Server ab. Jetzt schaltet Vorwerk die Neato Cloud ab. Die gerade gekaufte Hardware wird unfreiwillig zu Elektroschrott. Damit muss Schluss sein!
In meiner Rubrik „Internet of Trash“ mehren sich die Fälle. Erst im August verkündete der Aachener Netzwerkausrüster Devolo das Aus für seine „Home Control“-Produkte. Ende 2025 entfällt für Heizkörperthermostate, Bewegungsmelder oder Steckdosen die App-Unterstützung – und damit auch viele Funktionen, die das System überhaupt erst „smart“ gemacht haben.
Inhalt
Die lange Liste der Cloud-Fails
Im Februar 2024 zog Amazon bei seinem „Echo Connect“ den Stecker – nach insgesamt nur knapp sieben Jahren auf dem Markt. In Deutschland war der „Echo connect“ erst seit 2018 erhältlich. Das Zusatzgerät zu den smarten „Alexa“-Lautsprechern ermöglichte es, per Sprachkommando Telefongespräche nicht nur zwischen Echo-Geräten selbst, sondern auch mit echten Telefonanschlüssen herzustellen. Gerade für Menschen mit Bewegungseinschränkungen war das ein Segen. Doch von heute auf morgen wurde das System nach nur wenigen Jahren Nutzbarkeit zu Elektroschrott. Eine Alternative gibt es bis heute nicht.
2022 beendete Amazon zudem die Unterstützung für die gerade einmal fünf Jahre zuvor eingeführte „Cloud Cam“. Hier bot das Unternehmen seinen Kunden wenigstens kostenlosen Ersatz in Form der neu eingeführten „Ring“-Kameras an. Der Elektroschrott blieb.
In den USA und Kanada hat sich besonders der Fall „Insteon“ negativ ins kollektive Smart-Home-Gedächtnis eingebrannt: Das Unternehmen vertrieb dort umfangreiche Lösungen zur Hausautomatisierung wie Schalter, Lampen oder Thermostate. Insteon brach während der Corona-Pandemie zusammen und schaltete 2022 ohne Vorwarnung die Cloud-Server ab. Die Kunden standen von heute auf morgen mit nutzlosen Geräten sprichwörtlich im Dunkeln.
Und erinnern Sie sich noch an die smarten HomePod-Lautsprecher von Apple? Lebenszeit: 2018 bis 2021. Oder die Smart Speaker der Deutschen Telekom? Lebenszeit: 2019 bis 2023. Heute sind die Dinger höchstens noch als Bluetooth-Lautsprecher zu gebrauchen.
Vorwerk zieht bei Neato-Staubsaugern den Stecker
Ganz aktuell „remote-verschrottet“ nun auch Vorwerk alle Staubsaugerroboter der 2017 aufgekauften US-Marke „Neato“. Am 6. Oktober verkündete das Unternehmen das schrittweise Abschalten der Server für die Neato-Produkte. Damit wird die App nicht mehr nutzbar. Die Staubsauger verlieren ihr „Gedächtnis“ und können nicht mehr zeitgesteuert oder gezielt in bestimmte Räume geschickt werden. Sie vergessen ihre „No-Go“-Bereiche und können nur noch als „dumme Reinigungssklaven“ per Knopfdruck aktiviert werden. Dann fahren sie einmal überall dorthin, wo sie gerade hinkommen. Wer also gerade keinen Staubsauger im Schlafzimmer möchte, muss die Tür schließen. Sich auf eine saubere Wohnung zu freuen, wenn man gerade von der Arbeit kommt, gehört damit auch der Vergangenheit an. Erst auf der IFA 2020 wurden die neuesten Neato-Modelle D8, D9 und D10 vorgestellt. 2021 kam das jüngste Modell, der „Neato D10“, auf den Markt. Vier Jahre später ist damit schon Schluss.
Beendet die Cloud-Bevormundung!
Smarte Haussteuerung, die im Zweifelsfall nur ein paar Jahre funktioniert? Mir reicht’s. Ich werde mir künftig genauer anschauen, welche Produkte in einer Hersteller-Cloud gefangen sind und für welche es auch alternative Steuerungsmöglichkeiten gibt – etwa über den populären „Home Assistant“, eine Serverlösung, die sich auch zu Hause auf einem Raspberry Pi oder auf einem lokalen NAS einrichten lässt und über die sich bereits viele smarte Geräte steuern lassen. Für mich waren die Neato- bzw. Vorwerk-Staubsauger bislang echte Qualitätsprodukte. Mein eigener D7 funktioniert auch nach fünf Jahren – beinahe täglich im Einsatz – einwandfrei. Nach dieser Erfahrung würde ich dort kein Gerät mehr kaufen. Auf die Hersteller ist kein Verlass.
Wider den Elektroschrott: Der Gesetzgeber muss endlich einschreiten
So wie in der EU über die Richtlinie (EU) 2022/2380 bereits einheitliche USB-C-Stecker für Smartphones, Tablets, Kameras oder Headsets – und ab 2026 auch für Laptops – vorgeschrieben sind, um einer Flut proprietärer Netzstecker und Ladekabel vorzubeugen, muss es auch Regelungen gegen eine künstlich verkürzte Lebensdauer durch Serverabschaltungen geben.
Hersteller sollten gezwungen werden, spätestens beim Supportende eines Produktes die Programmierschnittstellen (API) ihrer Endgeräte offen zu legen, sodass Anwender zumindest die Möglichkeit haben, ihre Geräte mit allen Funktionen selbst weiter zu betreiben. Und wenn man selbst das Know-how nicht besitzt: Die Open-Source-Community ist groß. Es werden sich immer Tüftler finden, die eine Lösung bereitstellen – sofern sie denn die Möglichkeit dazu bekommen.
Valetudo: Freiheit für die Cloud-Staubsauger
Das Projekt „Valetudo“ ist so ein Beispiel. Sören Beye aus Niedersachsen rief das Projekt 2018 ins Leben, und mittlerweile sind unzählige weitere Entwickler an Valetudo beteiligt. Valetudo befreit bereits heute eine ganze Reihe von Staubsaugerrobotern vom Cloud-Zwang ihrer Anbieter, indem es eine eigene Steuerungslösung bereitstellt. Mittlerweile wird eine stattliche Anzahl von Robotern unterstützt. Die Firmware der Geräte muss zunächst „gerootet“, also der Zugang zum System geöffnet werden; dann können sie mit der Valetudo-App, die sich lokal auf einem eigenen Server einrichten lässt, gesteuert werden. Unterstützt werden aktuell vor allem Roboter der Marken Roborock und Xiaomi.
Wenn der Kunde zur Last wird
Mit der Cloud-Abhängigkeit haben sich die Hersteller smarter Heimanwendungen eine schier endlose Einnahmequelle versprochen. Durch immer neue Updates und Funktionen sollten die Kunden bei Laune gehalten und ein einmal gekauftes Produkt immer neue Einnahmen generieren.
Was aber, wenn der Kunde mit dem einen Produkt einfach nur zufrieden ist oder die erhofften Verkaufszahlen verfehlt wurden? Dann wird die Cloud für den Hersteller ganz schnell zur teuren Belastung. Die Geräte sind verkauft, die Einnahmequelle versiegt, doch die Betriebskosten für die Server laufen weiter. Wer ein Cloudprodukt betreibt, ist auf regelmäßige Einnahmen angewiesen. Um den Schaden in Grenzen zu halten, wird dann nach ein paar Jahren schlichtweg der Stecker gezogen. Die Produkte werden künstlich verschrottet. Man stelle sich vor, Autohersteller würden nach nur fünf Jahren keine Ersatzteile mehr für ihre Fahrzeuge bereitstellen.
Auch die Hersteller tun sich mit der künstlich geschaffenen Abhängigkeit ihrer Kunden keinen Gefallen. Der Imageschaden nach einem Cloud-Flop ist enorm. Wer keine Alternativen schafft, verliert beim Kunden an Vertrauen.
Petition gegen die Verschwendung
Update: Mittlerweile wurde eine Online-Petition gestartet, die den Hersteller Vorwerk zum Umdenken bringen soll.